Was steckt hinter dem Pandemievertrag?

Noch bis zum 30. Mai wird auf der diesjährigen Weltgesundheitsversammlung der WHO in Genf über verschärfte und ganz neue internationale Regeln für das Management von Pandemien beraten. Die Vorschläge sind in der Bevölkerung vieler Länder in hohem Maße umstritten, die Bundesregierung unterstützt sie ohne Einschränkung. Was genau ist vorgesehen und wie lauten die Kritikpunkte?

ELKE SCHENK, 23. Mai 2023, PDF

Bei der Weltgesundheitsversammlung (World Health Assembly, WHA) vom 21. bis 30. Mai sollen zwei Dokumente parallel beraten werden, die sich auf den Umgang mit Pandemien, Pandemierisiken oder Gesundheitskrisen allgemein beziehen: die Überarbeitung der Internationalen Gesundheitsvorschriften (International Health Regulations, IHR) sowie ein neues WHO-Abkommen, dessen Rechtsstatus als Vereinbarung oder Vertrag noch offen ist.

Die eingegangenen Änderungsvorschläge zu den IHR sind online abrufbar, eine Zusammenstellung der Änderungsvorschläge mit der Kommentierung des Review-Committees vom Februar 2023 ebenfalls. Die erste Entwurfsfassung des Abkommens zur “pandemic prevention, preparedness and response” (Zero Draft CA+) liegt seit Anfang Februar 2023 vor. Die EU hat im März umfangreiche Änderungsvorschläge und Ergänzungen dazu eingereicht.

Die Regelungsbereiche von IHR und Pandemieabkommen überschneiden sich, was die Frage aufwirft, wie ihr Verhältnis aussehen wird und warum die gleichen Ansätze zum Pandemie-Management in zwei verschiedenen Rechtsdokumenten verhandelt werden sollen. Spätestens vier Monate vor der Weltgesundheitsversammlung im Mai 2024 sollen die Endfassungen vorliegen, über die dann abgestimmt werden soll. Werden die jeweils unterschiedlichen erforderlichen Mehrheiten erreicht, sollen die neuen Instrumente ab 2025 in Kraft treten.

Eine Orientierung über den Erarbeitungsprozess und die verschiedenen Änderungsvorschläge zu den IHR bietet ein Beitrag der österreichischen Juristinnen Silvia Behrendt und Amrei Müller, auf den sich der vorliegende Beitrag unter anderem bezieht.

Fragwürdige Prämissen

Beide derzeit beratenen Prozesse gründen auf den gleichen Prämissen. SARS-CoV-2 sei ein neues Virus gewesen, dessen Ausbreitung eine globale Pandemie verursacht habe, auf die die Welt unzureichend vorbereitet gewesen sei. Die internationale Gemeinschaft habe katastrophal versagt. Das Ursprungsland der Pandemie, China, habe zu spät und unzureichend über den neuen Erreger informiert. Entsprechend seien ein überlastetes Gesundheitswesen, viele Tote und langfristige Erkrankungen (Long Covid) zu beklagen. Als Beispiele für weitere Pandemien werden das HI-Virus, Ebola, MERS, das Zika-Virus sowie die Affenpocken-Pandemie angeführt. Es wird davon ausgegangen, dass Pandemien in Zukunft häufiger zu erwarten seien. Verantwortlich dafür seien insbesondere Zoonosen, also das Überspringen von Viren von Wild- oder Haustieren auf den Menschen, verursacht durch den Klimawandel.

Aus diesen Prämissen leiten die Befürworter die Notwendigkeit einer stärkeren internationalen Zusammenarbeit unter Leitung der WHO ab, um Pandemien vorzubeugen, sie frühzeitig zu erkennen und wirksam zu bekämpfen. Zur Behandlung und Immunisierung der Bevölkerung wird vorzugsweise auf Impfungen gesetzt. Die als “wirksam und sicher” deklarierten Corona-Impfstoffe seien allerdings wegen des Impfstoff-Egoismus des Globalen Nordens im Globalen Süden kaum verfügbar gewesen.

Zu den treibenden Kräften beider Vorhaben zu einer “regelbasierten internationalen Gesundheitsordnung” gehören die EU, insbesondere Deutschland, die G7-Staaten sowie eine gemischte Staatengruppe von “Freunden des Pandemievertrags”, zu denen einige europäische, asiatische und afrikanische Länder gehören.

Das über drei Jahre in Endlosschleife reproduzierte Narrativ wird unhinterfragt zugrundegelegt. Die WHO hat keinerlei Evaluation des Pandemiemanagements vorgenommen, obwohl spätestens seit einem Jahr jede der Prämissen und politisierten medizinischen Vorgaben erschüttert worden ist und die sogenannten Kollateralschäden auch für die Gesundheit und Gesundheitsversorgung offensichtlich sind. Schaut man sich die Diagramme bei “Our World in Data” an, stellt man fest, dass das Virus eben nicht gleichermaßen in allen Ländern gewütet hat. Die kumulierten Fälle und Todeszahlen basieren positiven PCR-Tests, deren Aussagekraft für Infektionen und Erkrankungen manipulierbar und zumindest zweifelhaft ist. Der epidemiologische Nutzen von Masken wurde mittlerweile in Frage gestellt. Behandlungsempfehlungen der WHO, wie die frühe Intubierung, erfolgten entgegen jahrzehntelangen Erfahrungen von Lungenfachärzten und haben viele Tote zu verantworten. Die als einziger Ausweg aus der Pandemie deklarierte im Notfallmodus zugelassene “Impfung” hat in zwei Jahren mehr schwere Nebenwirkungen verursacht als alle Impfungen der 20 Jahre davor zusammen. Freigeklagte Dokumente der Zulassungsstudien weisen auf schwere Mängel und Manipulationen beim Zulassungsprozess hin.

Wenn ein neues System global verbindlicher Regeln auf der Grundlage fragwürdiger, ja falscher Prämissen legitimiert werden soll, sind Wachsamkeit und Zweifel angebracht.

Die Internationalen Gesundheitsvorschriften, im Folgenden abgekürzt als IHR, sind in Artikel 21 der WHO-Verfassung geregelt. Es handelt sich, wie der Name erwarten lässt, um verbindliche Vorschriften, die für jedes WHO-Mitgliedsland gelten. Laut WHO-Verfassung können durch die IHR in fünf Bereichen rechtsverbindliche Regelungen erlassen werden:

  • Gesundheits- und Quarantänevorschriften und andere Verfahren zur Verhinderung der internationalen Ausbreitung von Krankheiten
  • Benennungen von Krankheiten, Todesursachen und Praktiken des öffentlichen Gesundheitswesens
  • internationale Normen für Diagnoseverfahren
  • internationale Handelsnormen für die Sicherheit, Reinheit und Wirksamkeit biologischer, pharmazeutischer und ähnlicher Produkte
  • Normen für die Werbung und Kennzeichnung biologischer, pharmazeutischer und ähnlicher Produkte, die dem internationalen Handel unterliegen

Wenn nicht anders vereinbart, kommen IHR mit einfacher Mehrheit der Regierungsvertreter in der Weltgesundheitsversammlung zustande und sind dann ohne weitere öffentliche oder parlamentarische Beratung und Beschlussfassung unmittelbar geltendes Recht.

Es besteht allerdings für eine bestimmte Frist ein “opt-out”-Recht. Ein Vorschlag der USA, dieses opt-out-Recht von bisher 18 auf 10 Monate zu verkürzen, ist von den Delegierten der Weltgesundheitsversammlung 2022 schon angenommen worden und tritt im November 2023 in Kraft. Das bedeutet, wenn Regierungen dem Katalog an Vorschriften zustimmen wollen, werden sie verbindlich, bevor es in einem Land zu einer öffentlichen Debatte und Kampagne zur Ablehnung kommen kann. Dass die Kontrolle von Krankheitserregern auch die Kontrolle der Bevölkerungen bedeutet, ist im Zuge der Corona-Maßnahmen einschlägig erfahren worden und könnte den Widerstand gegen die Vorschriften nähren.

Ein neuer Pandemievertrag müsste mit einer 2/3-Mehrheit der Weltgesundheitsversammlung angenommen und danach in den Mitgliedstaaten nach jeweils geltendem Recht ratifiziert werden. Vorbehaltsklauseln sind im Pandemievertrag nicht vorgesehen (vgl. Zero Draft, Art. 25).

Im Folgenden sollen einige ausgewählte Problemfelder in Bezug auf die IHR-Revision, den Pandemievertrag sowie die EU-Vorschläge dazu skizziert werden.

Unklare Definitionen

Es kursieren innerhalb der Dokumente unterschiedliche Begriffe und damit definierte Regelungsbereiche. Eine Pandemie wird im WHO-Pandemievertragsentwurf definiert als:

the global spread of a pathogen or variant that infects human populations with limited immunity through sustained and high transmissibility from person to person, overwhelming health systems with severe morbidity and high mortality, and causing social and economic disruptions (übersetzt: die weltweite Ausbreitung eines Krankheitserregers oder einer Variante davon, die menschliche Populationen mit begrenzter Immunität durch anhaltende und hohe Übertragbarkeit von Mensch zu Mensch infiziert, die Gesundheitssysteme mit schwerer Morbidität (Erkrankungen) und hoher Mortalität (Todesfälle) überfordert und soziale und wirtschaftliche Störungen verursacht)

Sind in dieser Definition schon unklare Rechtsbegriffe enthalten (“Überforderung der Gesundheitssysteme”, “hohe Todesrate”), so möchte die EU noch weiter gehen und den Begriff Pandemie durch “pandemische Situation” ersetzen und das Vorliegen einer solchen Situation unabhängig von der Ausbreitung eines Krankheitserregers definieren:

“Pandemic situation” means a manifestation of a disease, irrespective of origin or source, that is spreading or is likely to spread over a wide geographical area, often worldwide, that is affecting or is likely to affect a large number of persons, and is creating or is likely to create a severe social disruption and economic loss. (übersetzt: „Pandemische Situation“ bedeutet das Auftreten einer Krankheit, unabhängig von ihrem Ursprung oder ihrer Quelle, die sich über ein großes geografisches Gebiet, oft weltweit, ausbreitet oder ausbreiten könnte, die eine große Anzahl von Menschen betrifft oder betreffen könnte und die eine schwere soziale Störung und wirtschaftliche Verluste verursacht oder verursachen könnte.)

Falls sich die EU mit ihrer konjunktivischen Definition durchsetzt, kann jede tatsächliche oder vermutete Grippewelle in einer Region zur pandemischen Situation erklärt werden. Gegenmaßnahmen setzten dann bereits ein, ohne dass das Gesundheitswesen überlastet wäre, ohne dass eine sehr hohe Zahl von schwer Erkrankten oder Todesfällen vorläge. Die Vermutung einer pandemischen Situation (Alarmierung) würde ausreichen, um die Kaskade an medizinischen und nichtmedizinischen Maßnahmen zu starten. Die Definition könnte aber auch auf Erkrankungen infolge des Klimawandels Anwendung finden, da eine pandemische Situation unabhängig von einem Krankheitserreger ausgerufen werden könnte.

In eine ähnliche Richtung soll der neu definierte Anwendungsbereich und Zweck der IHR gehen, die sich nicht nur auf Risiken für die öffentliche Gesundheit (public health risk) beziehen sollen, sondern auf alle Risiken, die sich auf die öffentliche Gesundheit auswirken können (all risks with a potential to impact public health) (IHR, Art. 2). Behrendt und Müller weisen darauf hin, dass keiner der Vorschläge zu den IHR einen internationalen Gesundheitsnotstand mit harten Kriterien definiert. Sie sehen die Gefahr der Inflationierung des Pandemiebegriffs, wie es schon aufgrund fehlender Kriterien bei Corona und jüngst den Affenpocken feststellbar war. Auch die Bundesregierung und der Bundestag haben zu keinem Zeitpunkt die epidemiologische Notlage definiert, auf deren Grundlage massive Grundrechtseinschränkungen erlassen wurden.

Ziele und Geltungsbereich

Als Vision formuliert der Pandemievertragsentwurf eine Welt, in der Pandemien kontrolliert werden können, um gegenwärtige und zukünftige Generationen zu schützen (vgl. Zero-Draft, S. 8). Die Vorbeugung, Vorbereitung und Reaktion soll auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene stattfinden. Sehr viel weiter reicht der Vorschlag der EU:

The Parties shall undertake actions to strengthen infection prevention and control, at all levels, but not limited to, households, communities and healthcare facilities, as well as the veterinary sector, with the aim of preventing pandemic situations. (Outline of EU textual proposals, S. 9) (übersetzt: Die Vertragsparteien ergreifen Maßnahmen zur Stärkung der Infektionsprävention und -kontrolle auf allen Ebenen, insbesondere in Haushalten, Gemeinden und Gesundheitseinrichtungen sowie im Veterinärsektor, um pandemische Situationen zu verhindern.)

Diese Formulierung weckt Erinnerungen an den autoritären Zero-Covid-Ansatz, wonach jede Infektion zu vermeiden ist, was sich in Lockdowns, Kontaktbeschränkungen, Versammlungsverboten und Ausgangssperren niederschlug. Die im EU-Vorschlag weiter aufgelisteten Erwartungen passen kaum zum Verständnis einer Pandemie, die durch Krankheitserreger ausgelöst wurde (Zugang zu sauberem Wasser und Gesundheitsversorgung gewährleisten, Antibiotikaresistenz vermeiden, Maßnahmen zur Verhütung von Tierseuchen, biologische Vielfalt und Tierschutz) beziehungsweise enthalten sie Banalitäten (sichere Abfallbeseitigung von kontaminierter Schutzausrüstung). Zugang zu sauberem Wasser zu gewährleisten und das bedenkliche Ausmaß an Antibiotikaresistenz anzugehen, sind wichtige gesundheitspolitische Ziele. Doch ist fraglich, was diese Ziele in einem neuen Pandemievertrag zu suchen haben und ob sie nicht eher den möglichen Widerstand gegen die entgrenzte Zielsetzung der Infektionsvermeidung in die Irre führen sollen….

weiter gehts hier:

https://multipolar-magazin.de/artikel/who-pandemievertrag

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