Die Doppelmoral des Westens beim Umgang mit dem Völkerrecht

Norman Paech

Bild: justflix/CC BA-SA-4.0

Der Westen schiebt das Völkerrecht auch in Bezug auf Putin vor, um dahinter eigene Interessen, wenn nötig auch mit militärischen Mitteln, ungestört verfolgen zu können.

Putin vor Gericht – an dieser elektrisierenden Perspektive wurde bereits unmittelbar nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 gearbeitet. Schon am 28. Februar hatte der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) Karim Khan eine Untersuchung zur Situation in der Ukraine angekündigt. Hier geht es um die mögliche Verfolgung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die Ukraine hat in einer Ad-hoc-Erklärung die Zuständigkeit des IStGH nach Art. 12 Abs. 3 des Römischen Statuts anerkannt.

Die strafbare Handlung der Aggression/Angriffskrieg ist erst später in Art. 8bis des Römischen Statuts definiert worden. Seit dem 17. Juli 2018 kann der IStGH seine Gerichtsbarkeit auch über das Verbrechen der Aggression ausüben. Dabei definiert Art. 8bis des Römischen Statuts das Verbrechen der Aggression als „Planung, Vorbereitung, Einleitung oder Ausführung einer Angriffshandlung, die ihrer Art, ihrer Schwere und ihrem Umfang nach eine offenkundige Verletzung der Charta der Vereinten Nationen vom 26. Juni 1945 darstellt“.

Das Verbrechen der Aggression kann durch den Gerichtshof nach Art. 15bis Abs. 5 IStGH-Statut allerdings nur dann verfolgt werden, wenn der betreffende Staat Vertragspartei dieses Statuts ist und das Verbrechen von Staatsangehörigen des betreffenden Staates oder in dessen Hoheitsgebiet begangen wurde. Da aber weder Russland noch die Ukraine das Römische Statut unterzeichnet haben, wäre für Ermittlungen gegen Putin zur strafbaren Handlung der Aggression eine Resolution des Sicherheitsrats zur Überweisung an den IStGH nötig. Diese Resolution könnte Russland mit seinem Vetorecht verhindern. Unter den aktuellen politischen Verhältnissen in Russland ist eine Verurteilung von Wladimir Putin als Aggressor daher nicht zu erwarten.

Um diese Schwierigkeiten zu umgehen, wird seit einiger Zeit die Möglichkeit in der Öffentlichkeit gehandelt, ein internationales Kriegsverbrechertribunal in Anlehnung an die Nürnberger Tribunale zu installieren. Zu diesem Zweck nun haben sich die Justizminister der G7 Ende November 2022 in Berlin getroffen, um die Isolation Russlands weiter voranzutreiben aber auch die Möglichkeiten der Errichtung eines Sondergerichtshofes zu erörtern. Eingeladen waren auch der Justizminister und der Generalstaatsanwalt der Ukraine sowie der Chefankläger des IStGH und der Generalstaatsanwalt der BRD. Der Vorteil eines solchen Tribunals wäre die Möglichkeit, sich vom Römischen Statut zu emanzipieren und die Verfahrensvoraussetzungen selbst zu definieren.

Diese Überlegungen könnte man sich allerdings sparen, wenn man sie schon bei den vergangenen völkerrechtswidrigen Kriegen gegen Jugoslawien, Afghanistan, Irak, Libyen und Syrien angestellt hätte. Für die möglichen Kriegsverbrecher Scholz, Fischer, Bush, Rumsfeld, Cheney, Blair, Obama und Trump wären internationale Tribunale durchaus in Frage gekommen. Doch damals rief niemand nach dem Völkerrecht und der IStGH war allenfalls gegen afrikanische Despoten und Kriegsverbrecher aktiv. Angesichts dieser Einäugigkeit stellt sich aber die Frage, was insbesondere die USA, aber auch die NATO-Staaten legitimiert, nun nach dem Richter zu fragen. Und hier setzt der Göttinger Straf- und Völkerrechtler Kai Ambos mit seinem schmalen Band „Doppelmoral. Der Westen und die Ukraine“ im Westend-Verlag an….

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Veröffentlicht von Huxley

Handwerker, Steuerzahler, Spaziergänger, Demonstrant, Aktivist

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