Stefan Millius – Das Jahr des Schweigens geht zu Ende

Nie war es sinnloser, sich Vorsätze zu nehmen als beim anstehenden Jahreswechsel. Denn was immer man persönlich besser machen möchte: Wir stehen einer Wand aus blindem Gehorsam und Selbstlügen gegenüber. Wir werden 2023 nicht als erneuerte Gesellschaft beginnen. Denn wir haben noch gar nichts aufgearbeitet.

2020 war dem langsamen Aufbau des Wahnsinns gewidmet. 2021 wurde er durchexerziert. Und 2022? Da taten die Verantwortlichen, als sei gar nichts gewesen. Und legten den Grundstein für eine spätere Neuauflage – wann immer es erwünscht ist.

Doch die wirkliche Tragödie: Eine Mehrheit wird auch dann wieder mitspielen.

Wir sind so konditioniert, dass wir nach einer schwierigen Zeit jede Form der Besserung als Erleichterung wahrnehmen. Eine Geisel freut sich, wenn ihr nach einigen Wochen wenigstens die Fusskette abgenommen wird. Es entsteht schon fast ein Gefühl der Dankbarkeit.

Exakt das war 2022 für viele. Es war das Jahr des «Schwamm drüber», des «so schlimm war es gar nicht», des «ist ja alles wieder normal».

Was es natürlich nicht ist. Politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich, vor allem aber, was die Wahrnehmung vieler Menschen betrifft. Sie wurden umprogrammiert. Sie nehmen es inzwischen als völlig in Ordnung wahr, wenn die Politik mal schnell den Krisenmodus ausruft und sich jedes Recht nimmt, über die Allgemeinheit zu verfügen.

Es gibt sichtbare Auswirkungen der letzten drei Jahre, und sie werden uns noch lange beschäftigen: Der Bildungsrückstand unserer Kinder, gebeutelte bis ruinierte Unternehmen, entzweite Familien. Mit Blick auf das neue Jahr, vor dem wir stehen, ist aber viel verhängnisvoller, was im Innern vieler geschehen ist. Wirklich tragisch ist das Ausbleiben einer Reaktion auf die sogenannte «neue Normalität». Dass klaglos akzeptiert wurde, wie wir auf Knopfdruck unserer Rechte beraubt werden können – notabene ohne echte wissenschaftliche Grundlage.

Offensichtlich sehnen sich viele nach einer ordnenden Hand, nach klaren Regeln, nach Fremdbestimmung. Sie wollen nicht hinterfragen, was verfügt wird, sondern es einfach ausführen. Und ihre Wut gehört nicht den Mächtigen, sondern den Leuten, die nicht bereit dazu waren und sind.

Wer keine Maske trug, wo sie schlicht keinen Sinn machte, wurde zum Spiegel für die Maskierten. Diese erkannten sich selbst und ihre Niederlage als selbstbestimmtes Individuum in ihrem Gegenüber. Das war es, was ihre Wut entfacht hat. Das Bewusstsein, sich aufgegeben zu haben. Statt sich selbst zu hinterfragen, richteten sie den Zorn auf ihren Spiegel. Oder griffen zum Telefonhörer, um das harmlose Familienfest der Nachbarn den Behörden zu melden. Eine Gesellschaft, die sich diebisch freut, wenn eine Minderheit aus dem Alltagsleben ausgeschlossen wird, ist moralisch verdorben. Aber eine Gesellschaft, die sich nicht einmal eines Besseren besinnt, wenn die Wahrheit offensichtlich ist, ist zusätzlich nicht – sagen wir es diplomatisch – besonders intelligent.

Und nun: Was tun?

Die politischen Mehrheiten lassen sich – theoretisch – verändern. Spätestens im Herbst 2023, wenn wir zur Wahl gerufen sind. Wie aber geht man um mit einer amorphen Masse, die beschlossen hat, in Gegenrichtung zum gesunden Menschenverstand zu marschieren? Was nützt uns ein erneuertes Parlament, das im Zweifelsfall sowieso die Arbeit verweigert und sich blind führen lässt? In Kombination mit einer Bevölkerung, mit der man buchstäblich alles machen kann, ohne dass sich Widerstand regt?

2022 wäre die Gelegenheit gewesen, das Geschehene gemeinsam aufzuarbeiten. Das hätte aber vorausgesetzt, dass die folgsame Mehrheit ihr Handeln hinterfragt. Sie hätte sich beispielsweise fragen müssen: Warum habe ich mich über zwei Jahre lang von irgendwelchen «Coronatickern» verängstigen lassen, mir meine Ferienreise mit einer Spritze erkauft, mich dann aber nicht dafür interessiert, als klar, offensichtlich und erwiesen war, dass das alles in keiner Weise der Erhaltung der Gesundheit diente oder irgendwas mit «Solidarität» zu tun hat?

Die meisten von uns haben 2022 eine komplette Selbstlüge gewählt. Sie schauten weg, wann immer die Wahrheit aufpoppte, sie verweigerten die Debatte bei jeder sogenannten «Verschwörungstheorie», die sich als Realität entpuppte, sie wollten sich nicht auseinandersetzen mit dem Irrtum, den sie mitgetragen haben.

Und das macht diese Leute für das Jahr 2023 so gefährlich. Was kann man ihnen in Zukunft noch alles erzählen – und sie schlucken es? Gegen wen werden sie ihre Wut künftig richten, obwohl sie doch eigentlich wütend auf sich selbst sind? Welche Bevölkerungsgruppe wird man als nächstes völlig evidenzlos zum Sündenbock machen? Ist uns die Zivilcourage nur temporär oder nachhaltig abhanden gekommen? Das sind die Fragen, die Angst machen.

Es gibt einige Berufsoptimisten, die überzeugt sind, dass sich die letzten Jahre nicht wiederholen können. Die glauben, dass wir daraus gelernt haben. Nur sehe ich keine Anzeichen dafür. Wenn man ein durchschnittliches Virus mit ganz bestimmten, eingegrenzten Risikogruppen zur tödlichen Gefahr für die Allgemeinheit hoch schreiben kann, wenn sich das Parlament der Verantwortung entzieht, wenn der ganz normale Bürger nicht wütend ist auf die Lügen, die ihm serviert wurden, sondern auf diejenigen, die diesen Lügen nicht auf den Leim gekrochen sind, wenn das alles möglich war: Wie soll dann daraus plötzlich ein höheres Bewusstsein für die Wahrheit entstanden sein? Es wäre ein kleines Wunder.

Tatsache ist: Wenn die Politik wieder tun will, was sie getan hat, wird sie auch die Medien wieder an ihrer Seite wissen. Diese werden wieder handverlesene «Experten» reden lassen und alle anderen diskreditieren. Die Masse wird wieder gehorsam sein. Die Kritiker werden wieder in der Minderheit und damit Freiwild sein. Es hat sich nichts geändert. Wir sprechen ja nicht einmal über das, was geschehen ist. Weil es zu schmerzhaft ist für die, die es mitgetragen haben.

Aber ja, keine Frage: Ich lasse mich noch so gerne eines Besseren belehren. In diesem Sinn: Ich wünsche allen ein fröhliches neues Jahr.

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