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Teil I: Die Post-Covid-Zeit – Annäherungen an ein merkwürdiges Interregnum*
Riesenhafte historische Veränderungen werden gewöhnlich nicht erkannt, während sie vor sich gehen.
Erwin Chargaff (1905 – 2002)
Es gibt drei Arten von Menschen: diejenigen, die sehen, diejenigen, die sehen, was ihnen gezeigt wird, und diejenigen, die nicht sehen.
Leonardo da Vinci
Unter dem unnachgiebigen Vorstoß sich beschleunigender Überbevölkerung und zunehmender Überorganisierung und mittels immer wirksamerer Methoden der Gehirnmanipulation werden die Demokratien ihr Wesen verändern; die wunderlich altmodischen Gebräuche – Wahlen, Parlamente, Verfassungsgerichtshöfe und alles übrige – werden bleiben, aber die zugrundeliegende Substanz wird eine neue Art von gewaltlosem Totalitarismus sein. (…) Die Verfassungen werden nicht widerrufen und die guten Gesetze nicht aus dem Gesetzbuch gestrichen werden; aber diese liberalen Formen werden bloß dazu dienen, eine zuinnerst illiberale Substanz zu maskieren und zu verzieren. (…) All die traditionellen Namen, alle die geheiligten Losungsworte werden genau die bleiben, die sie in der guten alten Zeit waren. Demokratie und Freiheit werden das Thema jeder Rundfunksendung und jedes Leitartikels sein – aber Demokratie und Freiheit in dem Sinn, den ihnen der Sprecher oder Schreiber geben wird. Mittlerweile werden die herrschende Oligarchie und ihre gutgedrillte Elite von Soldaten, Polizisten, Gedankenverfertigern und Gehirnmanipulatoren hübsch still das ganze Werk so laufen lassen, wie es ihnen passt.
Aldous Huxley, Wiedersehen mit der schönen Neuen Welt (1958), München 1987, S.119.
I Versuch einer dichten Beschreibung: Sondieren der Ausgangslage
Paradoxerweise ist es der relativen Harmlosigkeit der Omikron-Variante geschuldet, d.h. dem durch ihre Verbreitung hervorgerufenen recht unspektakulären Ende, den der Pandemie-Notstand in diesem Frühjahr (vorerst) – mit dem Sonderfall China und einer speziellen Ausnahme bezüglich der Länder Deutschland und Österreich – gefunden hat, dass sich die Ereignisse mit Eintritt in die Postpandemie-Phase keineswegs beruhigt haben. Vielmehr ist im Gegenteil festzustellen, dass sich die Ereignisse seitdem zu überschlagen begonnen haben. Und das obgleich die meisten von ihnen öffentlich nur wie hinter Milchglasscheiben erscheinen.
Da die Konzilien der Global Governance (1) weitgehend von der medialen Öffentlichkeit abgetrennt tagen, fällt – ein weiteres Paradox – das Heißlaufen der Beratungs- und Entscheidungsmaschinen der Global Governance dieser Tage – der Mehrheit kaum bis gar nicht auf. Das hat seine Ursache zum einen darin, dass der »kreative Kapitalismus von Gates und der Stakeholder-Kapitalismus von Schwab ein gemeinsames Konzept« haben, »dass (…) dazu dient, die Machtstrukturen unsichtbar zu machen« (2). Andererseits liegt es daran, dass die Mehrheit in ihrer massenmedialen Filterbubble gefangen bleibt, dank Propaganda weiter eingeseift und auch durch kognitive Dissonanzen vom eigenen Sehen abgehalten wird. Diese mediale Blase, die in mehrerlei Hinsicht einem Gefängnis ähnelt (man muss dafür nicht gleich an das Höhlengleichnis Platons erinnern, auch wenn es uns auch nach über 2000 Jahren die Probleme des Sehens, Nicht-Sehens und Zeigens höchst anschaulich vor Augen führt (3)), ist auch verantwortlich für das diffuse Bild, das die Postpandemie-Phase abgibt – eine vexierartige, schwer scharfzustellende Gestalt, die den Eindruck vermittelt, dass, wie gesagt, alles wie hinter Milchglas verbannt erscheint.
Wie kommt der die Wahrnehmung beeinträchtigende Milchglaseffekt zustande? Er hängt mit der Asynchronizität der Geschehnisse und Prozesse zusammen, die zwischen der Vorder- und der Hinterbühne der politischen Geschäftigkeit ablaufen. Sie werden nach außen hin schlicht anders »verkleidet«. Während die Vorderbühne vom Versuch bestimmt wird »die gesellschaftlichen Kräfte auf Zeitlupe geschaltet in ein Weiter so zu drängen, um das Jetzt künstlich zu verlängern, (…) den Bruch zu vermeiden und (…) den Übergang (in die Freiheit, Anm. B.S.) zu verhindern« (4), wie das Milosz Matuschek kürzlich treffend beschrieben hat, wird hinten zunehmend forcierter und hektischer an verschiedenen Stellschrauben gedreht, um die Lenkungsabsichten und Interventionen der Governance an die jüngst aus dem Ruder laufenden Entwicklungen anzupassen und möglichst neu- und nach zu justieren. Alles mit dem Ziel, die hyperglobalistischen Agenda-Ziele (5) doch noch erreichen zu können. Die den ersten historisch-praktischen Anwendungsfall von Global Governance (6) im großen, weltumspannenden Stil begleitende, höchst selektive und zu 95% affirmative Berichterstattung in den Leitmedien, verordnete von Beginn an die »Diskursvermeidung im öffentlichen Raum« (Matuschek) und konnte sie im Folgenden nahezu lückenlos aufrichten: Jede kritische Nachfrage, die ans Regierungshandeln gerichtet und jeder Zweifel am flugs verbreiteten und für sakrosankt erklärten Pandemie-Narrativ wurden von Anfang an – so als sei gleichzeitig überall auf einen Knopf gedrückt worden – unterdrückt, totgeschwiegen, marginalisiert oder mit Macht in Misskredit gebracht (7).
Wolfgang Wodarg berichtet exemplarisch davon aus der Frühzeit der Pandemie (März 2020) in seinem Buch Falsche Pandemien:
Mein Life-Chat im ZDF im Anschluss an die Frontal-21-Sendung vom 10.03.2020, bei der ich versuchte der erkennbaren Panikmache entgegenzuwirken, war wenige Wochen auf der Facebook-Seite des ZDF noch anzuhören und hatte Hunderttausende von Klicks. Als er entfernt wurde, schickte mir jemand einen Facebook-Beitrag zu, in dem sich ein Schweizer IT-Unternehmer und Grüner Politiker, der früher als externer Berater für die Firma Roche gearbeitet hatte, damit rühmte, die Löschung meines Chats beim ZDF bewirkt zu haben. (8)
Insgesamt leistet das Agenda-Setting (die internen Gründe für die Nachrichtenauswahl) der Leitmedien in der Nachbereitung der »größten Krise seit 1945« (Angela Merkels selffulfilling prophecy; die Politik hat sie erst dazu gemacht) ganze Arbeit durch – ein weiteres Paradox – fortgesetzte Arbeitsverweigerung. Der Journalismus macht einfach seinen Job nicht mehr. Stattdessen wird er für seine Unterstützung als Einweiser und Lautsprecher der Global Governance-Agenda zum Aufbau einer »Neuen Weltordnung« (NWO) entlohnt. Auch auf diesem Gebiet tut sich der große »Philanthrop« Bill Gates 9 neben dem Subventionsstaat, dem dadurch eine durchaus neue und spezielle Rolle zuteil wird, besonders hervor. Der Subventions- und Lobbystaat avancierte während der Corona-Zeit durch massive PR in Sachen Impfung und Impfkampagne zum wichtigsten Anzeigenkunden der Zeitungsverlage. Die Verbreitung der Staats-PR im Dienst der Pharmalobby wurde als dringend notwendige Finanzspritze für die vom Überlebenskampf schwer gebeutelten »systemrelevanten« Printmedien dankbar angenommen. Effekt: Die Mainstreampresse verzeichnet in Folge von Corona einen weiteren Auflagenschwund (obwohl nahezu alle Journalistinnen und Journalisten tüchtig dagegen anschrieben…) und erleidet Anzeigenrückgänge, während alternative Medienangebote ihre Nutzerzahlen im gleichen Zeitraum stark erhöhen konnten.
Darin spiegelt sich wider, was der Philosoph und Finanzmathematiker Nassim Nicholas Taleb so ausgedrückt hat:
Eine Meinung, die nichts riskiert, ist nicht wert, dass man sie äußert.« Guter Journalismus würde sich dieses Aperçu weit eher zu eigen machen als die Rolle übernehmen zu wollen, Lautsprecher für die Mächtigen zu sein. Wären da nicht die Eigentumsverhältnisse, die Kapitalkonzentration und die Krise auch und gerade auf dem »Meinungsmarkt«. Der konditionierte Reflex, der durch das Corona-Virus auf die Spitze getrieben wurde, folgte nicht dem Ethos »guter Journalismus«, sondern dem Geschäftsmodell, das am lukrativsten erschien: »Manufacturing Consent« (Noam Chomsky) – und sei es mit dem Holzhammer oder den Mitteln schwarzer Pädagogik – statt George Orwells: »Journalismus bedeutet etwas zu bringen, was andere nicht wollen, dass es veröffentlicht wird.
II Zur Intention und Anlage des Texte
Homo semper tiro: der Mensch ist immer ein Lernender, die Welt ist ein Versuch, und der Mensch hat ihm zu leuchten.
Ernst Bloch
Dieser Text versucht einen genaueren Blick auf die noch diffuse Gestalt des Post-Covid-Interregnums zu werfen, in das wir mittlerweile eingetreten sind. Dazu werden jüngste Ereignisse und Aktivitäten der Global Governance interpretiert und es wird laut über diese seltsame Zwischenzeit – mit der »alten Normalität« im Rückspiegel und der »neuen Normalität« vor uns? – nachgedacht. Das generelle Problem dabei: Die Phänomene müssen hinter den massenmedialen Schleiern zunächst hervorgeholt, sichtbar gemacht und in ihrer Bedeutung für uns und die Übergangszeit, in der wir uns befinden, erst einmal fixiert werden. Nur dann lassen sich Verständniszugänge für das freilegen, was hinter dem beschlagenen Glas, das zwischen uns und die Ereignisse geschoben wurde, tatsächlich vor sich geht. Daher versteht sich der Text auch als eine Übung in der Kunst des politischen Sehens und Zeigens, des Zeigens einer genauer (an-)gesehenen Realität und des (für) Wahr-Genommenen in den politischen Prozessen. Er setzt die (medialen) Schatten nicht mit der Realität gleich und sieht das Diffuse der Lage nicht einfach für gegeben an. Damit knüpft er an Traditionen der Aufklärung an. Diese drohen in unserem durch Cancel-Culture und politische Denk-und Sprechverbote dominierten Zeitgeist ohnehin verschüttet zu gehen. Nicht grundlos wurden die Aufklärung und das aufklärerische Denken, mit dem einst die bürgerlich-liberale Emanzipation von ständischer, heteronomer Macht begann, stark von der Lichtmetaphorik geprägt.
Mit dem Licht sind in aufklärerischer Tradition die Vernunft und die wissenschaftliche Erkenntnis gemeint: Dieses Licht leuchtet die Verhältnisse und Bedingtheiten aus, von denen die Menschen in Abhängigkeit und Unfreiheit gehalten werden. Ohne das Wissen um diese Abhängigkeiten können wir uns nicht aus ihnen befreien. Das gibt uns gleichsam den Weg vom Dunkel ins Licht vor, den wir damit auf uns nehmen müssen. »Auf uns nehmen« müssen wir ihn, weil er kein gerader und bequemer Weg ist. Er bedeutet keinen Spaziergang, sondern ist mühsam und beschwerlich. Dafür winkt als Lohn das, was Aldous Huxley als das »edelste Vergnügen« bezeichnet hat: »Die Freude am Verständnis«. Zuvor aber gibt es viele Hindernisse zu überwinden und viele Umwege müssen gemacht werden. Denn der Weg zur Weisheit kennt keine Abkürzungen. Das alles kostet viel Kraft und Anstrengung. Sich selbst aufzuklären verlangt uns eine Menge ab. Die Aufklärung postuliert, dass Wissen eine Holschuld ist – wir müssen uns auf den Weg machen zu ihm, es kommt nicht (wie) von selbst zu uns. So fordert Kant: »Habe Mut Dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen!« Und mit diesem Aufruf mündet die Forderung zum Selber-Denken in eine Definition von Aufklärung als immerwährende Aufgabe (10):
Aufklärung ist sprachlich gesehen eine Metapher des Lichts: Wo Dunkel herrscht, soll Licht werden, aber nicht einfach das Licht eines Tages, dem die Nacht – neues Dunkel – folgt, sondern dauerhaftes Licht, das in seiner Helligkeit zunimmt und doch nicht blendet. (…) Soll (…) ›Aufklärung‹ als fortschreitender Prozess der Bildung verstanden werden, dann muss das Licht zunehmen, also die Helligkeit sich vergrößern, ohne eine Sättigungsgrenze beachten zu müssen. (…) Die Überwindung von Ignoranz und in diesem Sinne die Erleuchtung des Denkens kann wie ein fortschreitender, unbegrenzter Prozess vorgestellt werden, der keine natürlichen Schranken wie die von Tag und Nacht oder von Helligkeit und Dunkelheit beachten muss. Der Verstand kann nur dann aufgeklärt werden, wenn Unwissenheit vorausgesetzt wird, und das ist immer möglich. Der Prozess wäre ohne eigene Grenzen, weil er mit jeder neuen Generation neu beginnen und zugleich unendlichen Zuwachs behaupten kann. Die ›Aufklärung‹ des Verstandes und der Gebrauch der Vernunft werden so zu Daueraufgaben, mit der sich Postulate der Bildung und Erziehung verbinden lassen.
Der vorliegende Text wurde in der Hoffnung verfasst, dass er als ein kleiner Mosaikstein dabei mithelfen möge, einigen Umrissen und Signaturen unserer »Zwischenzeit« eine deutlichere Kontur zu geben. Dadurch soll sie sichtbarer und erkennbar gemacht werden, an welchem Punkt wir stehen (11). Es scheint charakteristisch für die »Zwischenzeit« oder das »Interregnum« zu sein, dass die Dinge auf besonders starke Weise Veränderungen unterliegen bzw. Veränderungen ausgesetzt sind. Wir erleben, um mit Alexander Kluge zu sprechen, einen »Angriff der Gegenwart auf die übrige Zeit«. Die eingeschliffenen Routinen unserer Welt- und Selbstverhältnisse stehen zur Disposition. Auch unsere Zukunftserwartungen werden nachhaltig von diesem Beben und seinen Nachbeben erfasst. »Ohne die Vorgeschichte, die Zukunft und vor allem den Möglichkeitssinn gibt es aber keine Realität.« (12) Die Veränderungen befinden sich aber noch im geburtsartigen, magma-ähnlichen Zustand, d.h. sie sind weder politisch noch gesellschaftlich oder gar kulturell schon so erhärtet, dass sie bereits einen neuen, festen Referenzrahmen für unser Denken und Sprechen ausbilden konnten. Mit einem Wort: Die Welt steht am Scheideweg.
Partout sollten die auf diese Gärprozesse (und es gärt derzeit gewaltig in der Welt!) permanent einwirkenden politischen und medialen Filter nicht übersehen werden, da genau sie es sind, die dieses Sichtbarmachen der hier sich ankündigenden Ereignisse – neben den von Kant schon genannten Hinderungsgründen (13) – für uns einschränken. An sich ist das keine neue mediensoziologische Lektion, aber die Corona-Zeit hat die Notwendigkeit nachfolgende Unterscheidung als Bewusstseinsleistung zu vollbringen, um der Manipulierung zu entgehen, noch einmal dick unterstrichen: Wir müssen davon ausgehen, dass die politischen und massenmedialen Filter so eingerichtet sind und wirken, dass bestimmte Sichten auf die Wirklichkeit von vorneherein ausgeschlossen bzw. nicht zugelassen werden.
III Der politische Transformationsprozess von der Global Governance zur transhumanistischen Global Corporate
Um eine bessere Vorstellung vom Agieren der Global Governance zu erhalten, erscheint es sinnvoll, sich zunächst die Typologie des herrschenden Governance-Konzeptes genauer vor Augen zu führen:
Der britische Politikwissenschaftler R.A.W. Rhodes hat dafür den Ausdruck ›Regieren ohne Regierung‹ geprägt. Das ist eine gute Kurzformel für Governance. Dort, wo es Regierungen gibt, dient Governance dazu, deren Macht auszuhöhlen und zurückzudrängen, durch scheinbar kooperatives Lenken in öffentlich-privaten Partnerschaften zum Beispiel. Dort, wo es keine etablierte zentrale Regierung gibt, wie auf globaler Ebene, ist Global Governance hervorragend geeignet, Lenkung ohne Verantwortung und frei von Kontrolle zu ermöglichen. (14)
Global Governance im Design des WEF und seiner zahlreichen Satelliten und Relaisstationen, infiltriert dem eigenen Selbstverständnis nach die politischen Sphären und Strukturen der Nationalstaaten »durch scheinbar kooperatives Lenken in öffentlich-privaten Partnerschaften« (s.o) auf völlig legitime Weise, um sie mit den nationalen Regierungsmaschinen zu vernetzen und zu synchronisieren, so dass eine Akkumulation von Macht durch eine Verlagerung in ein neues, im Grunde »ortloses«, nicht sichtbares – jedenfalls außerhalb des Zugriffs durch den demokratischen Souverän befindliches – Zentrum erfolgt. Infiltrierung, Aushöhlung, Vernetzung, Synchronisierung (Gleichschaltung) und Akkumulierung dienen dabei ein- und demselben Zweck: Da die Krise des kapitalistischen Systems sich extrem zuspitzt, muss das System zum großen Befreiungsschlag ausholen. Das erscheint nötig, damit die Kapitaleigner der Zerstörung entgehen bzw. selbst noch aus dem bevorstehenden Crash den größtmöglichen Nutzen ziehen können.
Interessanterweise hat Aldous Huxley, Autor der literarischen Dystopie Brave New World (Schöne Neue Welt, 1932) die Entwicklung , die zur Auflösung der humanen, demokratischen und rechtsstaatlichen Substanz in den westlichen Demokratien führen wird, schon in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts äußerst genau prognostiziert. Mittels der Methoden von Propaganda und »Gehirnmanipulation«, so Huxley in seinem ein gutes Vierteljahrhundert nach dem Jahrhundertroman erschienenen Essay-Band Brave New World Revisited (Wiedersehen mit der schönen Neuen Welt, 1958), werden die Demokratien ihr Wesen verändern und den Weg einer »neuen Art von gewaltlosem Totalitarismus« beschreiten. Dieser Totalitarismus wird die Entkernung und Aushöhlung aller »traditionellen Namen« und »geheiligten Losungsworten« der Demokratie mit sich bringen. Sie scheinen an der Oberfläche zwar dann noch dieselben zu sein, tatsächlich wurde ihnen aber unter dem falschen Glanz dieser dystopischen Zukunft längst eine ganz andere, »zuinnerst«, wie Huxley formuliert, »illiberale« Bedeutung gegeben. (15) Diese Entkernung und Travestie der Demokratie und ihrer Begriffe ist das Ergebnis des Neoliberalismus und des Transhumanismus.
An anderer Stelle habe ich den Handlungsimpuls der Kräfte, die inzwischen jenseits der Kontrolle durch Nationalstaaten in Form »eines Regierens ohne Regierung« agieren und die größte (informelle) Weltmacht darstellen, die es in der Geschichte je gegeben hat, so beschrieben:
Deshalb sucht es (das Großkapital, Anm. B.S.) Zuflucht und Rettung im Korporatismus, in der Verschmelzung von Kapital- und Staatsinteressen.
Nicht zu Unrecht wird auf Parallelen zum Faschismus und seiner Entstehungsgeschichte im Zusammenhang mit dem aktuellen Versuch hingewiesen, ein korporatistisches Empowerment auf globaler Bühne erreichen zu können. Da die Oligarchen von Davos dem liberal-korporatistischen Modell (der als Verbändestaat und Sozialpartnerschaft lange ausgleichende und systemstabilisierende Wirkungen, besonders in Deutschland und Österreich, zeitigte) nicht mehr zutrauen, die Probleme aus den verschärften Systemwidersprüchen bewältigen zu können, steuern sie in Richtung eines autoritären Korporatismus um. Denn der sich wechselseitig befeuernde Teufelskreis aus Überakkumulation, Nullzinspolitik, Überschuldung und Blasenbildung kann mit systemimmanenten Mitteln nicht durchbrochen werden. (16)
Die Autorin Julia Weiss hat in einem sehr lesenswerten Aufsatz auf den Seiten des Multipolar-Magazins mit dem Titel »Die Abschaffung der Seele« darauf hingewiesen, dass der Begriff des Transhumanismus
irreführenderweise suggeriert, dass das damit bezeichnete Vorhaben noch irgendetwas mit ‘human’, Humanität oder Humanismus zu tun hat; das hat es nicht. Zutreffender wäre es, vom Antihumanismus zu sprechen – denn das transhumanistische Anliegen läuft darauf hinaus alle Lebendigkeit überhaupt abzuschaffen. (17)
Weiss‘ Verdienst ist es, den totalitären Charakter des Transhumanismus, so wie er aus der Propaganda und Programmatik des World Economic Forums spricht, mit Rekurs auf Hannah Arendts berühmtes Werk »Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft«, herausgearbeitet zu haben. Zwei Passagen sind für die Charakterisierung des Transhumanismus als einer, Hannah Arendt zufolge, zutiefst totalitären Ideologie m. E. besonders aussagekräftig und seien daher hier zitiert:
Das eigentliche Ziel totalitärer Ideologie ist nicht die Umformung der äußeren Bedingungen menschlicher Existenz und nicht die revolutionäre Neuordnung der gesellschaftlichen Ordnung, sondern die Transformation der menschlichen Natur selbst, die, so wie sie ist, sich dauernd dem totalitären Prozess entgegenstellt. … Was in der totalen Herrschaft auf dem Spiele steht, ist wirklich das Wesen des Menschen. (18)
mehr dazu: